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Better Communication in the Esperanto of Accounting

Better Communication in the Esperanto of Accounting

PD Dr. Andreas Haaker

PD Dr. Andreas Haaker
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Fortschritte werden auch in der Rechnungslegung nur durch Versuch und Irrtumsbeseitigung erzielt: (1) entweder durch eine mitunter „mutige“ Anwendung neuer Bilanzierungsideen unter billigender Inkaufnahme eines schmerzlichen Scheiterns an der Realität oder (2) im Rahmen einer ergebnis- und kritikoffenen Fachdiskussion. Die erste Variante kann enormen gesamtwirtschaftlichen Schaden anrichten, während die zweite Lackmustest-Variante relativ günstig erscheint. Eine geeignete Plattform, um Ideen im Bereich der Rechnungslegung im Vorfeld einer fachlichen Bewährungsprobe auszusetzen, stellen Fachzeitschriften dar. Idealerweise müsste es zu jedem relevanten Beitrag im Rahmen eines „Wettbewerbs um die bessere Idee“ Erwiderungen und Repliken geben. Leider herrscht oftmals Konsens vor, wobei die „eigene“ Auffassung durch Zitat der h.M. „abgesichert“ werden kann. Versäumt wird vor allem, Expertentum zu hinterfragen.

„Better Communication“ als Floskel

Eine aktuelle, leider nicht näher hinterfragte Floskel der technokratischen IASB-Elite heißt „Better Communication“. Das klingt ganz verheißungsvoll und lädt selbst den kritischen Geist nicht direkt zum Widerspruch ein. Im Gegenteil: Der IASB will allen Anschein nach etwas verbessern (reagiert also einsichtig auf Kritik) und setzt bei der Verbesserung auch noch an einem ganz grundsätzlichen Aspekt der IFRS an, nämlich an der Kommunikationsfunktion. Nun stellt aber nach üblicher Auffassung Kommunikation lediglich einen Prozess der Übertragung von Nachrichten zwischen Sender und Empfängern dar. Der IFRS-Abschluss selbst ist aber kein Prozess, sondern das Ergebnis eines Erstellungsprozesses, der sicher nicht gemeint ist. Ein Abschluss lässt sich wohl eher als Inhalt einer zu kommunizierenden Nachricht interpretieren. Das Ziel „Better Communication“ ließe demzufolge den Abschluss, der auf den IFRS basiert, unberührt. Umfasst ein „Better Communication“-Projekt insofern überhaupt Verbesserungen der IFRS?

Der IASB-Vorsitzende Hans Hoogervorst stellte hierzu fest: „Financial statements are communication tools“ (KoR 1/2017, M3). Die IFRS sieht er als eine globale Sprache des Financial Reporting an und möchte die Kommunikation im Financial Reporting verbessern. Kommunikation ist tatsächlich eine Funktion der Sprache. Eine Verbesserung der Kommunikation könnte demnach über Fortschritte in der „IFRS-Sprache“ erfolgen. Dabei gilt es zu bedenken, dass eine Sprache ein evolutionäres und kein zentralkonstruiertes Phänomen ist. Zu erinnern ist hierbei an die gescheiterte Kunstsprache Esperanto. „Esperanto failed because its promoters ignored the fundamental nature of language in their search for uniformity”, and „Global reporting standards“ are „the Esperanto of accounting“ (Fearnley/Sunder, Accountancy 5/2006 S. 26). Zudem stellen sich folgende Fragen:

  1. 1.

    Ist Kommunikation überhaupt das (wesentliche) Problem in der IFRS-Sprache?

  2. 2.

    Wird dieses Problem durch die Maßnahmen des „Better Communication“-Projekts gelöst?

Verbesserungen der Kommunikation greifen viel zu kurz, wie die Sprachtheorie zeigt. Anknüpfend an Bühler hat Popper (Knowledge and the Body-Mind Problem, 1994, S. 84 ff.) die evolutionären Funktionsstufen der Sprache wie folgt gegliedert:

  1. 1.

    Ausdrucksfunktion (Ein Rechnungsleger lacht, um den inneren Zustand des Unternehmens auszudrücken.),

  2. 2.

    Kommunikationsfunktion (Reaktion auf den Ausdruck als Signal: Ein Rechnungsleger lacht und ein Investor kauft in Reaktion darauf Anteile am berichtenden Unternehmen.),

  3. 3.

    Beschreibungsfunktion (Der Rechnungsleger stellt die gute Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens, also den Grund für sein Lachen dar.),

  4. 4.

    Argumentationsfunktion (Die positive Darstellung der wirtschaftlichen Lage wird mit guten Argumenten von einem Investor kritisiert und vom Rechnungsleger verteidigt.).

Die höheren Sprachfunktionen (SF) beinhalten jeweils die niedrigeren. Funktion 3 enthält die primitivere Funktion 2, da die beschriebene wirtschaftliche Lage (SF3) als Ausdruck des inneren Zustandes des Unternehmens (SF1) Kaufentscheidungen bei den Investoren auslösen kann (SF2). Umgekehrt kommen die niedrigen Funktionen jedoch ohne die höheren Funktionen aus (SF2 enthält nicht automatisch SF3). Den IFRS-Abschluss als bloßes Kommunikationsinstrument (also ohne die Sprachfunktionen SF3 und SF4) zu verstehen lässt die wesentlichen Probleme der „IFRS-Sprache“ außer Acht. Zwar wird die Entscheidungsrelevanz laut Framework tatsächlich nur im Sinne der primitiveren Kommunikationsfunktion als Potential einer Information zur Entscheidungsbeeinflussung verstanden (QC6). Ein Abschluss, der die höheren Beschreibungs- und Argumentationsfunktionen (also den Inhalt der Information, d.h. die Darstellung der wirtschaftlichen Lage, sowie den kritisch-rationalen Umgang damit) vernachlässigt, ist zur Fundierung von Anlageentscheidungen sicher nicht hinreichend. Statt eine bessere Kommunikation anzustreben, sollte das IASB an der inhaltlichen und kritikoffenen Darstellung der wirtschaftlichen Lage arbeiten.

Falsche Problemsituation als Ausgangspunkt

Sich in der zentral konstruierten IFRS-Kunstsprache nur irgendwie klarer auszudrücken zu wollen und dabei den sprachlichen Inhalt, also das freie Sprechen in Gestalt von „EBIT & Co.“-Kennzahlen einschränken zu wollen (vgl. Hoogervorst, KoR 1/2017, M3), behebt nicht einmal die Kommunikationsprobleme im „Esperanto of accounting“, geschweige denn das Problem einer unbefriedigende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Ein „Better Communication“-Projekt geht jedenfalls von der falschen Problemsituation aus.